"Eins, zwo.... eh siebzehn und vier. Das ist ja unglaublich, 25 % des Kurses fehlen." "Morgen Herr Vielhaber." So, oder so ähnlich beginnen ungefähr 87% der Erdkunde- Grundkurs- Stunden. Mit 100%iger Sicherheit beginnt der Unterricht auf die Sekunde genau. Sollte es ein Schüler nicht rechtzeitig schaffen, zwischen dem ersten und zweiten Gong den Erdkunde- Raum 202 zu erreichen, darf er sich auf die bösen Blicke von Herrn Vielhaber freuen und außerdem den Stoff der letzten Stunde wiederholen. Gnade, wenn diese Stunde die montägige Doppelstunde war, denn es ist penibelst darauf zu achten, daß nicht nur der umfangreiche Stoff der Stunde wiedergegeben wird, sondern auch die wichtigsten Fremdwörter genannt und genauestens erklärt werden (Superlative sind hier noch stark untertrieben). Ans rettende Ufer kann man sich mit den folgenden Lieblingswörtern von Rudi retten: Disparität, Glaziale Serie, Eiszeit, Niederschlagsvariabilität,...
Nachfolgend werden von Herrn Vielhaber die Hausaufgaben kontrolliert, wobei es hier nicht unbedingt auf die Richtigkeit ankommt, denn die Aufgabenstellung ist jedesmal so kompliziert, daß (Herr Vielhaber lassen Sie den Rot-Stift aus dem Spiel, ich schreibe aus militantem Protest immer noch nach der alten Rechtschreibung - noch mehr: ich stehe dazu, sollte es auch in ferner Zukunft vor Gericht gegen mich verwendet werden) Richtigkeit ohnehin nur eine gnädige Gabe Gottes (für die Philosophen: ein Glücksfall) ist. Es resultiert stets eine Diskussion über die Aufgabenstellung und ihre unterschiedlichsten Ergebnisse. An dieser Stelle werden von den maximal 12 (letztlich 8) Kursteilnehmern zwecks besserem Verständnis gern einige äußerst abstrakte Beispiele genannt, die den Unterricht auf eine für den Durchschnittsschüler erträgliche Bahn bringen.
Diese Unterredung endet wiederum mit der Einsicht von Herrn Vielhaber, daß wir vom Thema abgekommen sind und nun mit dem Quatsch aufhören sollten. Herr Vielhaber versteht jedoch keinen Spaß, wenn es um Unterrichtsversäumnisse geht. Krankheit ist für ihn eine nicht nachvollziehbare Begründung von Fehlstunden (hier muß wieder einmal erwähnt werden, daß er das letze mal 1957 wegen Krankheit gefehlt hat - "aber da [wie er so oft betont] war ja schließlich auch die Asiatische Grippewelle").
Eine herausragende Charaktereigenschaft von Herrn Vielhaber ist seine Gabe, Dinge, die klar sind, so zu erklären, daß (ja ich weiß) sie verwirrend wirken. Ein Beispiel: Herr Vielhaber hat versucht uns zu erklären, daß das Raumordnungsmodell an die veränderten Verhaltensweisen der Menschen angepaßt werden muß. Daraufhin sahen ihn alle Kursteilnehmer so erwartungsvoll an, so daß er begann, uns veränderte Verhaltensweisen an einem für uns nachvollziehbaren Modell zu veranschaulichen. Bitte spitzen Sie die Ohren (schärfen Sie den Blick - für Kleinliche):
Ein Igel der von den Scheinwerfern eines Wagens (nehmen wir mal einen SLK) erfaßt wurde, sah sich damals in Gefahr und zum Schutz kugelte er sich. Unter den Igeln hat sich jedoch herumgesprochen (die überlebende Igeldame sagt es zum Beispiel weiter), daß sie trotz "Kugeln" überfahren werden. Sie änderten daraufhin ihre Verhaltensweise und (die Evolution hat es nicht anders gewollt) nun laufen sie schnell weg, sobald sie vom Scheinwerfer angeleuchtet werden. Für uns ein unglaubliches Modell der Verhaltensänderung von Tieren. Nun sagte Herr Vielhaber, daß die Entwicklung (übrigens wir sind noch beim Raumordnungsmodell) beim Menschen ähnlich sei. Wir stellen uns das so vor, daß der SLK dem Igel hinterher fährt, um die Hierarchie wieder gerade zu biegen.
Die Zeit vergeht bei solchen Unterrichtsmethoden sehr schnell und Herr Vielhaber kommt zu folgender Erkenntnis: "Meine Fresse, schon zwölf Uhr!" Unbeliebt macht sich Herr Vielhaber immer dann, wenn er einen unangekündigten Test schreibt. Gelernt hat eigentlich nie einer, und den Stoff aus der letzten Stunde hat man übers Wochenende sowieso wieder vergessen. Einige geben deshalb ein leeres Blatt ab, andere ziehen sich irgendwas aus den Fingern, um wenigstens so zu tun als würden Sie etwas von Erdkunde verstehen. Die Stimmung im Kurs ist nach einem Test dermaßen im Keller, so daß danach kein normaler Unterricht mehr möglich ist. Nicht nur die bekannten Störfriede (H. W. & C. R.), sondern auch alle anderen Kursteilnehmer laufen dann zur Höchstform auf. Sollte jemand meinen der Unterricht im Erdkunde GK sei außerordentlich streng oder äußerst lustig, so kann ich nur sagen die Realität liegt genau dazwischen. Bleibt nur noch zu sagen, daß wir alle die lockere und dennoch produktive, lehrreiche und pädagogisch wertvolle Unterrichtszeit genossen haben. Herr Vielhaber, dank für zweieinhalb Jahre Erdkunde Grundkurs ohne Kurstreffen (Naja, ein Kurstreffen wäre schon toll gewesen!).